Am Anfang war da eine Idee. Eine Idee von flowigen Trails, endloser Weite und Dolce Vita Feeling. Das war an einem regnerischen Sonntagabend im Februar. Zum Glück gibt es Komoot und schon gings los mit der grossen Kreativität. Aber was war die Idee? Das Konzept war fast & light (d.h. nur mit Trailrucksack) vier Tage völlig unbeschwert und frei von Ort zu Ort im Tessin zu trailen. Die Etappen sollten zum Saisonstart einen vernünftigen Umfang haben und alle ca. 30km und ca 2000 Höhemeter aufweisen. Und die vier Etappen sollten «logisch» aufgebaut sein und an einfach zu erreichbaren Orten enden. Inspiration bot mir der berühmte Scenic-Trail, welcher für seine traumhaften und wilden Trails bekannt ist.

Eine Stunde später war es soweit – die 4-Tages-Osterrunde war fertig! 

Aber wer würde mich auf ein solches Abenteuer begleiten? Das war die grosse Frage. Die logische Konsequenz war also die Idee einfach spontan mit allen Infos in den Community-Chats zu streuen. Es sollte kein organisierter Event sein, die Leute sollten frei entscheiden können, wann und wo sie dazu stossen möchten, und müssten sich demnach auch selbst organisieren. Das bietet die grösste Flexibilität für alle Teilnehmenden und alle sind frei wann und wie lang sie dabei sein wollen. 

Nun stand Ostern vor der Tür und als ich frühmorgens in den Zug stieg wusste ich immer noch nicht abschliessend, wer mich heute den Tag durch begleiten würde. Dann die grosse Überraschung, wir waren gesamthaft sieben abenteuerlustige Trailer! Alle motiviert und begeistert von der Idee und bereit für alles, was kommen mag!

Etappe 1 : Lugano – Mezzovico 27km, 1800 Höhenmeter

Motto: nur die Harten kommen in den Garten

Die ersten Aufwärmkilometer führten durch Lugano, doch nach einer halben Stunde waren wir bereits auf den Spuren des berühmten Scenic-Trail. Leider mussten wir bereits zu Anfang feststellen, dass sich die Wegfindung im Tessin etwas schwierig gestaltet – vor allem da leider keiner von uns ein grosses Navigationstalent ist, aber wo ein Wille ein Weg und zumindest die Richtung war bekannt und notfalls ging es auch mal durchs Gebüsch. Dieses Mindset sollte sich die nächsten Tage wie ein roter Faden durchziehen. 

Bald hatten wir auch schon die Baumgrenze hinter uns gelassen und erreichten bereits unseren ersten Gipfel der Mont Ferraro mit knapp 1500 Metern. Dort wehte bereits ein kalter Wind, aber es sollte noch besser werden. Eine Stunde später standen wir auch schon auf unserem Tagesziel – dem Monte Gradiccioli mit 1900 Metern Höhe. Leider hatten wir kein Wetterglück und es fing an zu schneien. Ohne Ski, aber dafür mit Spikes ging es nun den schneereichen Downhill runter nach Mezzoveco. Dort wurde die erste Bäckerei überfallen, welche wir finden konnten – Priorities first. Anschliessend ging es ins Hotel und später zum wohlverdienten Pizza & Pasta-Plausch im Restaurant.

Etappe 2 : Mezzovico – Rivera 29km, 2000 Höhenmeter

Motto: The attack of the goats 

Acht Uhr morgens, erster Blick aus dem Fenster und er war da: der blaue Himmel! Und noch eine weitere Überraschung wartete auf uns – vier neue Trailmaniacs kamen nach Mezzoveco, um heute mit uns die Trails zu erobern!

Nach einigen steilen Höhenmetern gelangten wir die Ebene vor dem Tamaro. Eine wunderschöne Hochebene – die braungrünen Wiesen mit dem blauen Himmel bieten einen wunderschönen Kontrast. 

Und dann kamen sie – unsere Fans! Ein Rudel Ziegen kam uns entgegengerannt. Anfangs noch süss entpuppten sich die Ziegen als penetrantes Wildrudel – wir wurden unbarmherzig bis zum Tamaro verfolgt! Keine Gnade! Was die einen von uns lustig fanden, war für die anderen eine Qual. Aber so ist das halt mit den alpinen Risiken!

Weiter ging es vom Tamaro Richtung Monte Rontondo – nach einer kleinen Kraxelpartie oben angelangt wurden wir mit einer traumhaften Aussicht belohnt. Eine solche Weitsicht gibt einem das Gefühl alles sei möglich! 

Das was dann folgte kann man als «trail and error» bezeichnen. Ich glaube die Details lasse ich hier lieber raus, aber wir waren definitiv kreativ. Kurz zusammengefasst: wir konnten den ursprünglichen Weg runter wegen Schnee nicht erreichen, wir versuchten es trotzdem mit ein wenig Kreativität, aber leider ohne Erfolg. Da wir natürlich alle sehr vernünftig sind, ging es schön brav wieder den ursprünglichen Weg runter nach Rivera. Saferty first!

Etappe 3 : Rivera – Tesserete 29km, 1800 Höhenmeter

Motto: Barkley Marathon 2.0

Der dritte Tag war wirklich überwältigend – wir bekamen wiederum Zuwachs – heute waren wir 14 Trailrunner! Von überall kamen sie her – Zürich, Graubünden, Aargau, Zug, Winterthur – kein Weg war zu weit! Unsere Bilder der Tage zuvor mussten überzeugt haben!

Der erste Anstieg von Rivera auf den Cima di Medeglia mit 1200 Metern führte uns durch schöne Trails mitten durch grüne Wälder. Das Wetter war auch heute wieder fantastisch! Nach einem Downhill gelangten wir durch das malerische Städtchen Medeglia bevor uns der längste Aufstieg des Tages auf den Cava Drossa bevorstand. Aber auf dem Weg dorthin sollten wir noch einiges erleben. Wir mussten wieder den Trail suchen. Das Tessin ist wirklich faszinierend – Trails können sich einfach in Luft auflösen. Einfach so und völlig unerwartet. Und da standen wir da – ein riesen Rudel Trailrunner mitten im Wald und bekamen alle eine Idee wie sich wohl der Barkley Marathon anfühlen musste. Aber ein Trailrunner kennt keinen Schmerz (im Gegenteil, er liebt ihn) und so kämpften wir uns den gefühlt 40 Grad steilen Waldhang hinauf. Unser Kampf wurde belohnt, wir fanden nicht nur den Trail wieder, sondern auch eine wunderschöne Hochebene, bevor wir dann den Gipfel des Tages erreichten!

Der Downhill runter nach Tesserete ist einfach nur wunderschön mit Blick direkt auf den Lago di Lugano und ein 360 Grad Bergpanorama. Der Wahnsinn!

Der Tag liessen wir dann mit standesgemäss mit Bier, Aperol Spritz, Pizza & Pasta ausklingen! 

Etappe 4 : Tesserete – Lugano 28km, 1500 Höhenmeter

Motto: The sky is the limit

Eine kleine feine Gruppe von sieben unerschrockenen Trailrunnern machte ich heute auf den Weg zur leider bereits letzten Etappe. Wir hätten alle tagelang weitertrailen können, aber die Beine hatten auch noch ein Wörtchen mitzureden und so ging es gemütlich von Tesserete los Richtung Denti della Vecchia. Nach einen Anstieg durch wilde Waldtrails gelangten wir auf einen wunderschönen Ridge – quasi a trail with a view. Der höchste Punkt, der Denti della Vecchia bietet eine wunderschöne Kraxelei bis man den Gipfel erreicht. Von dort aus konnten wir nochmals alle erklommenen Gipfel der letzten Tage erkennen. Die letzten Kilometer führten uns über wilde abwechslungsreiche Trails runter nach Bré. Nach einem kleinen Kaffee & Kuchen Stopp ging es in einem letzten Downhill runter nach Lugano an See. Zur Feier des Tages sprangen einige in den See und genossen das frische Seewasser (Betonung auf frisch). Anschliessend sassen wir nach einer kleinen Stärkung auch schon wieder im Zug nach Hause. Ich denke der folgende Spruch fasst die letzten Tage am besten zusammen:

„And at the end of the day, your feet should be dirty, your hair messy, and your eyes sparkling.“ – Shanti

Es waren vier unvergessliche Ostertage, mit tollen Menschen, jeder Einzelne in seiner Art eine Bereicherung! Die Vibes der Gruppen waren jeden Tag fantastisch! Abenteuerlust, Naturverbundenheit, Offenheit, ein bisschen Verrücktheit und die Liebe zu den Trails führt ganz tolle Menschen zusammen! Leute zum Pferde stehlen, das sind Trailrunner! Nach einem solchen Erlebnis bin ich stolz und dankbar einer solchen coolen Community anzugehören zu dürfen!